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Kernstämme der Familie Rizzi
Rizzi-Mannsbilder
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Familienforschung
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von etwa 1400 bis heute
Aquileia
Da die Karthager bereits im Jahr 202 v. Chr. von den Römern schwer geschlagen worden waren, ahnten die Rizzi, dass es auch diesmal notwendig wird, einen neuen Standort für das eigene Geschäft zu finden. Sie sahen, wie sich die Machtverhältnisse änderten und schätzten die Lage richtig ein, dass die Zukunft nicht mehr an Afrikas Nordküste, sondern im Herzen Europas, im Römischen Reich lag. Wieder stand ein Ortswechsel an. Sie hatten aus ihren Handelsbeziehungen Kunde erhalten, dass es im Norden Italiens neue Entwicklungen gab und die Römer eine neue Handelsmetropole aufbauen wollten: Aquileia. Also fassten die Rizzi den Entschluss, ihre Geschäfte und ihre Familie von Karthago nach Aquileia zu verlagern.
Aquileia war 181 v. Chr. als römische Kolonie und als Bollwerk gegen die Invasion durch Karnier und Istrier gegründet worden und diente den römischen Legionen als Ausgangspunkt für Militärexpeditionen und Eroberungen.
Obwohl die Umwandlung der Stadt vom Militärzentrum zur Handelsmetropole erst 89 n. Chr. erfolgte, waren sich die Rizzi sicher, dass Aquileia eine wichtige Handelsrolle im römischen Imperium mit seinen nördlichen Nachbarn spielen würde. Diese Einschätzung war ausschlaggebend, dass die Rizzi bereits im Jahr 156 v. Chr. von Karthago nach Aquileia umzogen. Sie waren überzeugt, am Aufschwung der Handelsaktivitäten teilhaben zu können.
Die ersten Jahre gestalteten sich für die Familie schwierig. Die Stadt war vom Miltär dominiert, das weitgehend die Handelsaktivitäten bestimmte. Erst nach und nach mit dem stärker werdenden Zustrom von Immigranten dehnte sich der Handel aus und das Geschäft der Rizzi begann zu florieren. Aus den Gewinnen konnten sie auf dem Beneficio Rizzi (Bild 1: Pianta di Aquileia) den Bau ihres Hauses[1] finanzieren, das über drei Jahrhunderte in immer größerer Pracht erweitert wurde und den Sitz der Familie samt einer Textilfabrik bildete. Der Umzug hatte sich wieder einmal gelohnt, weil die politische Entwicklung richtig eingeschätzt worden war.
Die Textilfabrik spielte im Geschäftsleben der Rizzi eher eine Nebenrolle, das Hauptgewicht lag nach wie vor auf dem Gewürzhandel, dessen Struktur sich seit der phönizischen Zeit nicht verändert hatte. Sowohl früher Phönizien als auch nun das Römische Reich waren wichtige Akteure im Gewürzhandel. Der Mittelmeerraum diente dem Handel mit Gewürzen stets als Verbindung zwischen dem Osten und Westen.
Ab dem Ende des 1. Jh. n. Chr. hatte Aquileia eine entscheidende Position im römischen Reich als Knotenpunkt für Handel, Militär und Kultur. Aquileia war durch seinen bedeutenden Hafen ein wichtiger Landungspunkt für fremde Waren, die über die Seidenstraße ins Land kamen, und deren Verteilung in das nördliche römische Reich. Händler aus den verschiedensten Teilen des römischen Reiches und darüber hinaus kamen hierher, um Güter zu kaufen und zu verkaufen.
Bild 2: Seidenstraße im 1 Jh. n. Chr.
Von Aquileia wurden vornehmlich Getreide und andere landwirtschaftliche Produkte verschifft. Olivenöl, Wein, Gewürze, und Luxusgüter sowie militärische Güter wie Waffen und Rüstungen wurden importiert. Zudem war Aquileia Handelsdrehscheibe für den Transport von Rohstoffen wie Holz, Metall und Steinen, aber auch Umschlagplatz für Sklaven aus den verschiedensten Regionen der Welt.

Betrachtet man die Handelswege zur Zeit des römischen Imperiums, so wird deutlich, dass der Handel nach Norden und in das Landesinnere am besten von Aquileia aus erfolgen konnte.
Bild 3: Handelswege im römischen Imperiuman
Der Gewürzhandel spielte im Römischen Reich eine bedeutende Rolle und es wurde eine Vielzahl von Gewürzen aus verschiedenen Teilen der Welt über diverse Handelswege importiert. Dazu gehörten Gewürze wie Pfeffer, Zimt, Ingwer, Safran, Koriander und andere aromatische Substanzen. Die meisten Gewürze stammten weiterhin aus den Regionen von Indien, China, Arabien und Ostafrika. Gewürze blieben wie früher teuer und galten als Luxusgüter. Sie wurden von der Oberschicht und wohlhabenden Bürgern geschätzt und dienten als Statussymbol.
In der römischen Küche wurden Gewürze vielseitig eingesetzt, um den Geschmack von Speisen zu verbessern, aber auch, um Lebensmittel zu konservieren. Die Nachfrage nach Gewürzen im Römischen Reich war hoch, was zu einer intensiven Suche nach neuen Handelsrouten und Quellen führte. Der Wunsch nach Vielfalt in der Ernährung und die Verwendung von Gewürzen für medizinische Zwecke trugen zur hohen Nachfrage bei.
Durch die günstige strategische Lage und die damit verbundenen militärischen wie kommerziellen Aktivitäten nahm Aquileia bis in das 2. und 3. Jahrhundert einen fulminanten Aufschwung. Mit einer Bevölkerung von über 100.000 Menschen war Aquileia zum wichtigen Handelszentrum und zu einer der größten und reichsten Städte des Römischen Reiches und zur Hauptstadt Venetiens und Istriens geworden. Aufgrund des Reichtums verfügte die Stadt über beeindruckende öffentliche Gebäude, prächtige Privathäuser und eine stattliche Flotte.
Bild 4: Aquileia in seiner Blütezeit
Die strategische Lage brachte nicht nur Wohlstand, sondern auch Kriege und Krankheiten. Zwischen 165 und 189 n. Chr. wütete die Pest, die im gesamten römischen Reich zum Tod von über 5 Millionen Menschen führte und die Bevölkerung von Aquileia erheblich dezimierte. Im Jahr 168 n. Chr., just am Höhepunkt der Pest, wollte Marcus Aurelius von Aquileia aus in Carnuntum einmarschieren – erfolglos. Zwei Jahre später (170 n. Chr.) folgte der Angriff der Markomannen und der Quaden, der erfolgreich abgewehrt werden konnte. 238 n. Chr. belagerte Maximinus, einer von sechs römischen Kaisern in dieser chaotischen Zeit, Aquileia, wurde aber eben hier ermordet. Diese Attacken auf Aquileia konnte die Bevölkerung noch einigermaßen gut und ohne großen Schaden zu nehmen überstehen. Dann aber kamen die schlechten Jahre; nicht nur für Aquileia, sondern für ganz Europa.
395 n. Chr. erfolgte die Teilung des römischen Reichs in eine westliche und eine östliche Hälfte, womit der über 80 Jahre dauernde Zerfall des weströmischen Reiches begann, wie der Vergleich der Jahre 395 und 476 gut zeigt (Bild 5: West- und Ostrom im Jahre 395 und im Jahr 476).

Diese verheerende Zeit war geprägt von Kriegen, die durch die in Europa herumziehenden Völker und durch Warlords an der Tagesordnung waren. Der keltische Kleriker Gildas[2] beschrieb die Herrscher und Tyrannen und macht damit deutlich, was das Volk von diesen zu erwarten hatte.
„Sie verbringen ihre Tage damit, Unschuldige zu terrorisieren und auszuplündern, während sie Räubern und Mördern Unterschlupf gewähren. Sie nehmen sich viele Frauen und haben zudem Kebsweiber und Geliebte. Sie schwören sehr rasch Eide und brechen sie noch rascher wieder. Sie geben Gelübde ab und lügen dabei. Sie führen viele Kriege, doch ihre Kriege sind ungerecht, da sie sich gegen ihre eigenen Mitbürger richten. Sie geben vor, Verbrechen bekämpfen zu wollen, doch machen sie Verbrecher zu ihren Tischgenossen, schmeicheln sich bei ihnen ein und belohnen sie. Sie geben sich nach außen großzügig gegenüber würdigen Unternehmungen, doch gleichzeitig raffen sie durch ihre Verbrechen heimlich Vermögen und Sünde an. Sie halten Gericht, doch selten sprechen sie ein gerechtes Urteil. Sie verachten die Wehrlosen und Niedrigen, und sie wertschätzen die Blutbesudelten, Hochmütigen, Mordlustigen und Eidbrüchigen.“
Die Hunnen waren eines der marodierend durch Europa ziehenden Völker und Volksgruppen, deren Macht und Herrschaft ausschließlich auf Raub, Plünderungen und Tributzahlungen gegründet war. 452 n. Chr. brachen Attilas Krieger in Italien ein und überfielen Aquileia, verwüsteten die Stadt und massakrierten oder versklavten einen Großteil der Bevölkerung. Die Geschichtsschreibung ist sich darüber einig, am 18. Juli 452 wurde Aquileia vollständig vernichtet und spielte in der weiteren Zukunft fast keine Rolle mehr.
Die beschönigend genannte Völkerwanderung, die vielmehr eine laufende, mörderische Invasion von Barbaren[3] war, ließ Italien auch in den folgenden Jahrzehnten nicht zur Ruhe kommen. 476 war das Jahr, in dem das weströmische Reich erlosch und der Germane Odoaker als weströmischer Kaiser die Regentschaft übernahm. 490 verwüsteten die Ostgoten unter Theoderich das Land. Deren Herrschaft endete 552 nach blutigen Kriegen mit Ostrom, die der italischen Ökonomie so schwere Schäden zufügten, dass viele antike Traditionen abbrachen. Die Menschen erlebten Massenvertreibungen, großflächige Zerstörungen, Hungerkatastrophen und erneut die Pest.
Als die Langobarden im Jahr 568 in die entvölkerten und völlig verarmten Gebiete einfielen, musste die kleine oströmische Garnison rasch kapitulieren und die Langobarden übernahmen die Herrschaft über das Land. Sie erklärten Cividale (Forum Iulii) zur neuen Hauptstadt der Friaul, so dass Aquileia keine Bedeutung mehr besaß. Als die Herrschaft der Langobarden 776 endete und die Franken unter Karl dem Großen die Macht übernahmen, blühte Aquileia zwar noch einmal auf, erlangte aber bei weitem nicht mehr die Größe und Bedeutung des 2. und 3. Jahrhunderts.
Aquileia und das Küstenland gehörten während der ersten Jahrzehnte langobardischer Herrschaft nicht zum Herzogtum Friaul, sondern standen unter oströmischer Herrschaft. Der Hafen von Aquileia diente noch dem Handel und der Versorgung der Langobarden, die von der Seefahrt keine Ahnung hatten.
Bis in das vierte Jahrhundert nach Christus hatten die Rizzi in Aquileia trotz einiger kriegerischen Ereignisse sehr komfortabel gelebt. Aber der Einfall der Hunnen beendete die Existenz Aquileias und jedes komfortable Leben schlagartig. Die Rizzi waren dem Einfall der Hunnen zwar durch eine Flucht nach Alexandria entkommen, aber als sie nach Aquileia zurückkehrten, lag eine verwüstete Stadt vor ihnen und ihr Haus hatte nur noch als Ruine Bestand. Mühsam kämpften sie und die Bevölkerung sich wieder empor und waren froh wenigstens überlebt zu haben. Die Frage, wohin sich die Familie wenden sollte, statt in Aquileia zu bleiben, fand keine Antwort. Die ständigen Invasionen und der fast ununterbrochen andauernde Krieg in Europa ließen kein Schlupfloch offen, durch das die Rizzi in eine bessere Zukunft gelangen hätten können. So beschlossen sie, ihre guten Kontakte im Handelsnetzwerk der Region zu nutzen, um ihr Geschäft von Aquileia aus bestmöglich weiter betreiben zu können. Der anfängliche Reichtum war zerronnen, das Handelsgeschäft ernährte die Familie mehr schlecht als recht. Die Familie hielt die Augen und Ohren offen und beobachtete vor allem die Entwicklung im Herzogtum Friaul genau, hoffend, dort ein besseres Leben führen zu können.
Bildverzeichnis: [1] Das Haus steht auf einem Grundstück, das den Namen „beneficio Rizzi“ trägt. Es ist nur eine Fiktion, dass damals tatsächlich Rizzi dort gelebt hätten. [2] Gildas (*ca. 500; † 570], auch Gildas der Weise, war ein herausragender Vertreter des keltischen Christentums im spätantik-nachrömischen Britannien. https://de.wikipedia.org/wiki/Gildas [3] Vielleicht verdeutlicht der folgende Text am Beispiel der Ungarn, in welch grausamer Zeit die Menschen während der „Völkerwanderung“ lebten. Regino von Prüm war Geschichtsschreiber und von 892 bis 899 Abt der oberrheinischen Abtei Prüm in der Eifel. Er schrieb: „ Im Jahr 889 verabschiedete sich das wilde Volk der Ungarn, grausamer als die grausamsten Tiere und in der Vergangenheit so unbekannt, dass es nicht einmal erwähnt wurde, von seinem Land und machte sich auf die Suche nach neuen Siedlungsplätzen. Zunächst verdiente es seinen Lebensunterhalt mit der Jagd und dem Fischfang, doch dann begann es, kontinuierlich Überfälle und Raubzüge zu unternehmen. Bei diesen Überfällen vernichtete es Tausende von Menschen mit Pfeilen, die es mit einem solchen Geschick aus Bögen abfeuerte, dass es sehr schwierig war, ihnen auszuweichen. Sie leben nicht wie Menschen, sondern wie Tiere. Man sagt von ihnen, sie essen rohes Fleisch, trinken Blut, zerstückeln die Gefangenen und essen ihre Herzen, sie kennen keine Gnade“ (https://it.wikipedia.org/wiki/Magiari). Die übrigen Barbarenvölker waren nicht entschieden freundlicher.
Bild 1: Pianta di Aquileia aus Storia Romana, Viabilità nella Venetia et Histria von Bruno Dotto: Il tracciato della Via Annia tra ipotesi e realtà.
Bild 2: Seidenstraße im 1 Jh. n. Chr., von User Furfur, CC 4.0
Bild 3: Handelswege im römischen Reich, von Digital Atlas of the Roman Empire (DARE) CC BY 4.0
Bild 4: Aquileia im römischen Reich, aus Romano Impero, AQUILEIA (Friuli)
Bild 5: Das römische Reich bei der Teilung und am Ende seines Bestehens, CC 4.0